Ja – und nein.
Um diese Frage präzise beantworten zu können, müssen zuerst die Struktur und die Zielsetzungen von verschiedenen Übersetzungsverbänden genauer betrachtet werden.
Pro
Es gibt etliche Übersetzungsverbände in Deutschland. Sie haben sich selbst mehrere und ziemlich unterschiedliche Ziele gesteckt.
Die wichtigste Aufgabe der Verbände besteht darin, die rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen die Übersetzer arbeiten, zu verbessern und somit sichere Qualitätsstandards, basierend auf einer einheitlichen Berufsordnung, festzusetzen – alles mit Blick auf steigende Anforderungen in der Industrie und vielversprechenden anhaltenden Fortschritt.
Darüber hinaus bieten die Verbände ihren Mitgliedern idealerweise eine große Palette an Dienstleistungen und praktischer Hilfe an.
Die Ziele der Übersetzungsverbände sind:
Sicher noble Ziele, doch trotzdem haben die Übersetzungsverbände gewisse Probleme.
Contra
Kritiker sehen die Übersetzer- und Dolmetscherverbände als ein Bündnis, das die Freiheit des Einzelnen auf seine eigene Weise zu arbeiten einschränkt, indem es eine umfassende Preispolitik vorschreibt. Das bedeutet, dass die Verbände bis zu einem gewissen Grad für Arbeitslosigkeit verantwortlich sind, da sie den Übersetzern eine Preissenkung erschweren.
Dies führt direkt zu dem Argument, dass die Verbände nur die Interessen ihrer Mitglieder vertreten – nicht jedoch die des Kunden, der Industrie oder der Übersetzer, die nicht Mitglied eines Verbandes sind (was vom Standpunkt der Verbände aus vielleicht zu verstehen ist).
Auch von der soziologischen Sichtweise aus gibt es einen Interessengegensatz zwischen den Verbandsdirektoren und den freiberuflichen Übersetzern. Die Verbände sind hierarchisch strukturierte Organisationen, die versuchen den Übersetzer – sogar den Freiberufler – zu bevormunden, da der Verkauf der Ware Arbeit zum höchstmöglichen Preis das Ziel der Verbände ist. Die nationalen Verbände verlieren demzufolge trotz der Globalisierung der Wirtschaft an Bedeutung. Nur ein paar relativ unbedeutende Übersetzerverbände sind sich der globalen Nachfrage bewusst.
Infolgedessen befinden sich die Verbände in einer „Erpressersituation“. Wenn das hohe Einkommensniveau, auf dem die Verbände beharren, streng eingehalten wird, könnte das den Kunden auf den Magen schlagen. Sie würden dann nach für sie „gesünderen“ Übersetzungsanbietern suchen – außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Verbände.
Viele Kritiker sehen einen Hauptnachteil darin, dass die Verbände zum großen Teil auf regionaler Ebene geführt werden. Das bedeutet, dass sich die verschiedenen Organisationen in den Bundesländern in unterschiedliche Richtungen entwickeln, sodass sich die angebotenen Dienstleistungen überflüssigerweise überschneiden. Der Informationsaustausch ist ungenügend, sodass jegliche Reaktionen auf berufspolitische Formulierungen zu spät kommen.
Manche Verbände waren somit für einige Zeit in strukturbedingte Debatten verstrickt. Es bleibt zu hoffen, dass diese Debatten die oben genannten Probleme lösen können.
Ein weiterer Nachteil ist, dass der Kunde nicht den besten auf dem Markt verfügbaren Übersetzer für seinen Auftrag bekommt, sondern – sogar eher im Idealfall – den besten Übersetzer des Übersetzerverbandes, den er um Hilfe bei der Suche bittet.
Ein weiterer beträchtlicher Negativpunkt von Übersetzerverbänden besteht darin, dass sie nur Einzelübersetzer und keine Übersetzungsunternehmen als Mitglieder aufnehmen – Unternehmen, die sich in den letzten Jahren aufgrund ihrer bewährten Flexibilität und ihres Vorrats an Mitteln, die sie anbieten können, den Löwenanteil an Übersetzungsarbeiten auf dem Markt geschnappt haben.
Um also zusammenzufassen –
Ist es ein Zeichen für Qualität, wenn der Übersetzer Mitglied eines Übersetzerverbands ist?
Ja – und nein.